Dass Kinder und Jugendliche am meisten unter Corona zu leiden hatten und haben, kommt langsam bei Politik und Gesellschaft an. Dass alles getan werden muss, um Schulen offen zu halten und Kindern so viel wie möglich an Normalität zurückzugeben, wollen wohl alle. Doch das geht nicht mit Dogmatismus und Statistiken. Tina Görg-Mager, grüne Politikerin, Leiterin einer Grundschule und betroffene Mutter dreier schulpflichtiger Kinder wundert sich über einen Post der Bornheimer FDP in Facebook, "dass eine erneute Maskenpflicht in den Schulen absolut überzogen und unverhältnismäßig wäre". In einem offenen Brief stellt sie Fragen an die Bornheimer Ratsherren und Autoren des Posts Jörn Freynick (MdL) und Christian Koch (Vorsitzender der FDP Kreistagsfraktion).
21.11.21 – von Tina Görg-Mager –
Sehr geehrter Herr Koch, sehr geehrter Herr Freynick,
ich wende mich heute als Mutter eines mit COViD19 infizierten Kindes an Sie.
Ich bin äußerst beunruhigt über die derzeitige Situation an den Schulen. Sie wissen sicherlich, dass ich neben meiner Aufgabe als Mutter dreier schulpflichtiger Kinder eine 3,5 zügige Grundschule leite.
Mit Erstaunen musste ich lesen, dass Sie sich am 13. November 2021 per Facebook mit der Überschrift „Eine erneute Maskenpflicht in den Schulen wäre absolut überzogen und unverhältnismäßig“ äußern.
Hierzu habe ich ein paar Fragen und bitte herzlich um deren Beantwortung:
- Was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn die Inzidenz unter Kindern und Jugendlichen von Tag zu Tag steigt?
- Was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn Kinder und Jugendliche das Virus von zu Hause mit in die Schule bringen?
- Was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn sich in einer Klasse 6 innerhalb von drei Tagen sechs Kinder (alle ungeimpft) anstecken, geschehen in der Klasse meines jüngsten Sohnes. Diese Kinder dürfen nun für mindestens 14 Tage die Schule nicht besuchen! Haben Sie hierbei an die seelischen Folgen für diese Kinder gedacht oder an die Eltern dieser Kinder, die nun zusätzlich zur Sorge um ihr erkranktes Kind ihren Alltag komplett umstrukturieren müssen?
- Herr Freynick, Sie schreiben, dass Sie Vater von drei Kindern sind: wissen Sie, wie ein Unterricht unter Coronabedingungen momentan aussieht? Können Sie sich vorstellen, welche Ängste Lehrkräfte momentan aufgrund der aufgehobenen Maskenpflicht haben? Haben Sie daran gedacht, dass an jeder Lehrkraft auch immer eine Familie hängt? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was es mit den Kindern macht, wenn sie erfahren, dass ein Selbsttest an der weiterführenden Schule oder in der Grundschule ein Pooltest positiv ist?
- Was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn man bedenkt, dass das Tragen von Masken bei Kindern auch die Lehrkräfte schützen kann? Haben Sie daran schon einmal gedacht?
- Herr Koch, was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn es VERA Standort 5 Schulen gibt (der Begriff wird Ihnen geläufig sein), bei denen davon ausgegangen werden kann, dass die Eltern der dortigen Schülerschaft nur teilweise geimpft sind. Auch diese Schulen gibt es im Rhein-Sieg-Kreis. Sollen diese Schulen nun alle durchseucht werden?
- Was ist an einer Maskenpflicht überzogen und unverhältnismäßig, wenn ich lese, dass Frau Gebauer jüngst selbst bei einer PR-Aktion zum Vorlesetag mit Maske im Klassenraum vor lauter maskierten Kindern sitzt.
Als Mutter, Schulleiterin und Politikerin appelliere ich im Interesse unserer Kinder an alle Parteien, die Situation an unseren Schulen (und selbstverständlich auch an unseren Kitas) ernst zu nehmen und den Schulen den nötigen Spielraum zu geben, um auf die jeweils aktuelle Situation angemessen reagieren zu können. Bitte kein Wahlkampf, keine dogmatische Verteidigung einer Ministerin, die in den letzten 1,5 Jahren schon mehrfach ihre Entscheidungen revidieren musste. Und an alle Bürger*innen und Eltern appelliere ich: Lasst Euch bitte impfen!
Mit freundlichen Grüßen
Tina Görg-Mager
Anmerkung: Im Post der FDP behauptet Jörn Freynick, dass die Schülerinnen und Schüler nachweislich keine Treiber der Pandemie seien. Wie erklärt er dann, dass aktuell im Rhein-Siegkreis vor allem die Inzidenzen bei den 5 -14 Jährigen drastisch nach oben gehen?