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27.02.11 –
Dr. Arnd Kuhn, zum Haushalt 2011 der Stadt Bornheim, am 24.02.2011
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Bürgermeister Henseler,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Gäste dieser Ratssitzung.
Erst 8 Monate ist es her, dass wir den Haushalt 2010 der Stadt Bornheim verabschiedet haben. Damals haben wir GRÜNEN auf die dramatische Finanzlage der allermeisten Kommunen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in der gesamten Bundesrepublik hingewiesen. Wir haben auch daran erinnert, dass seit ewigen Zeiten in §1 der Gemeindeordnung steht: „Die Kommunen haben die Aufgabe, das Wohl der Einwohner zu fördern. Die Gemeinden handeln zugleich in Verantwortung für die zukünftigen Generationen“.
Die Nachhaltigkeit im Handeln wird also von uns allen gefordert. Nicht nur in der Nutzung natürlicher Ressourcen, sondern auch im Umgang mit Geld. Im Klartext: Keine Generation darf also mehr verteilen, als sie erwirtschaftet. Darf heute nicht das Geld ausgeben, das morgen fehlt. Es ist und bleibt also nicht nur ein politisches Ziel in absehbarer Zeit einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, sondern ist auch ein Gebot der politischen Ethik und unabdingbare Basis für Gerechtigkeit zwischen den Generationen.
Wenn wir dies ernst nehmen, müssen einige, auch unangenehme Fragen gestellt werden.
Können wir Kommunalpolitiker diesem Anspruch überhaupt gerecht werden, wenn insbesondere der Bund, aber auch die Länder den Kommunen immer neue Lasten aufbürden, aber nicht für eine entsprechende Finanzausstattung sorgen?
Werden so nicht alle Bemühungen Kosten zu senken, die Verwaltung effizienter zu machen und bei den Bürgern um Verständnis für unpopuläre Sparmaßnahmen zu werben zunichte gemacht?
Verwalten wir nicht längst den Mangel, obwohl wir alle politisch von der Aufstellung eines Gestaltungshaushaltes träumen?
Ist es nicht egal welcher Fraktion wir angehören, denn wir alle befinden uns in denselben Sachzwängen?
Ich denke, die Antworten liegen klar auf der Hand. Manche sprechen sie offen aus, manche trauen sich noch nicht und einige wenige versuchen immer noch die Realitäten auszublenden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch auf unser gutes altes Grundgesetz hinweisen. Da stehen viele schlaue Dinge drin. Problem ist nur, dass es offensichtlich aus der Mode gekommen ist, es nicht nur zu loben, sondern auch zu beherzigen. Hier ist der in Artikel 104 der Grundsatz verankert, dass die Wahrnehmung von Aufgaben und Ausgabenverantwortung bei derselben staatlichen Ebene, also vor allem beim Bund und den Länder, liegen. Damit ist das Konnexitätsprinzip gemeint, was übersetzt auf vorgebirgisch heißt: Wer die Runde bestellt, bezahlt auch die Zeche.
Dieses Prinzip ist auch eine wichtige Säule der ebenfalls in Artikel 28 des Grundgesetzes garantierten kommunalen Selbstverwaltung, das sind wir, die gewählten Ratsmitglieder. Wenn aber den Kommunen öffentliche Aufgaben ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich zugewiesen werden, werden die Kommunen so stark belastet, dass damit die kommunale Selbstverwaltung, also wir, faktisch außer Kraft gesetzt werden.
Denn uns allen muss klar sein: Sprachen wir 2009 noch von einem Gesamtdefizit aller Kommunen von 7 Milliarden, so waren es im vergangenen Jahr schon 11 Milliarden, die höchste Neuverschuldung aller Zeiten. Und dies obwohl die Wirtschaftskrise angeblich vorbei sei und die Steuereinnahmen im letzten Jahr wieder gestiegen sind. Diese Zahlen lassen auch für die Zukunft keine wirkliche Trendwende erwarten.
Auch ist nicht erkennbar, wie ein weiteres zentrales Problem in den Griff zu bekommen sein wird. Nämlich die dynamische Entwicklung der Ausgaben für soziale Leistungen. 42 Milliarden Euro mussten die Kommunen am vergangenen Jahr stemmen. Damit haben sich die Sozialkosten in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt, Ausgaben für die Unterkunft von Hartz-IV-Beziehern, die Jugendhilfe, die Grundsicherung älterer Menschen mit geringer Rente, für Pflegebedürftige und die Eingliederung Behinderter.
Zwar sind erste Anzeichen für ein Umdenken beim Bund und vor allem beim Land erkennbar, jedoch sind die bisher angedachten Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichend. Wenn wir diesen Trend verstärken wollen, damit die Haushaltberatungen vor Ort nicht zur Farcé werden, sind alle Kommunalpolitiker, egal von welcher Partei, aufgerufen, ihre Verbindungen zu den politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene zu nutzen. Nur so wird es gelingen Einfluss zu nehmen, um uns vor weiteren übermäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren.
Jetzt zu uns hier in Bornheim.
Wir sind im Nothaushalt. Dieses Schicksal teilen wir übrigens mit rund einem Drittel der Kommunen in NRW. Nothaushalt heißt, wir unterliegen den strengen Auflagen der Kommunalaufsicht und können deshalb kaum mehr als die gesetzlichen Pflichtausgaben beschließen. Damit bleibt uns in Bornheim aber kein ausreichender Spielraum für die heute so notwendigen Maßnahmen zur sozialen Vorsorge. Dieser Zustand grenzt allerdings an finanzpolitischer Schizophrenie. Denn dürften wir dies, könnten wir z.T. verhindern, dass Menschen, die in eine gesellschaftliche Randlage geraten auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind und bereits mittelfristig eine Menge Geld sparen.
Mit dieser Erkenntnis befinden wir uns in guter Gesellschaft. Denn diese Auffassung vertritt auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Stephan Articus. Und, er meint auch, dass immer mehr Städte trotz striktem Sparkurs sowie Anhebung von Gebühren und Eintrittsgeldern in eine Verschuldung geraten, aus der sie sich aus eigener Kraft gar nicht mehr befreien können. Und ich bin der festen Überzeugung, dieses trifft für uns in Bornheim uneingeschränkt zu.
Und weitere Gefahren lauern auf uns. Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Stichworte nennen, die uns allen aber hinreichend geläufig sind.
Zum einen die Auswirkungen der Neuordnung des Gemeindefinanzierungsgesetzes, der eine richtige Idee zugrunde liegt. Nur, die dafür vorgesehenen Finanzmittel reichen nicht aus. Für uns in Bornheim heißt dies, dass wir rund 4 Millionen Euro einbüßen und diese kompensieren müssen. Nur wo und wie? Die Gebrauchseinleitung dazu wurde uns aber nicht mitgeliefert. Am Ende wird dies bedeuten: Aufnahme zusätzlicher Kredite.
Zum anderen ist immer noch nicht klar, ob wir, wie bereits 2010, auch in diesem Jahr mit einer weiteren Erhöhung der Kreisumlage rechnen müssen. Auch dies würde ein weiteres Loch in die Stadtkasse reißen. Wo und wie wir dies einsparen können ist mir derzeit allerdings noch völlig schleierhaft. Das wird den Schweiß der Edlen noch erfordern. Die Alternative hieße auch hier: Aufnahme zusätzlicher Kredite.
Doch es gibt auch Erfreuliches zu vermelden.
Diesmal müssen wir nur wegen der Zahlenlage schwitzen, nicht aber wegen der Außentemperaturen. Haben wir in den Vorjahren meist in den Sommermonaten den Haushalt verabschiedet, so können wir dies in diesem Jahr schon im Winter. Und dies ist auch und gerade ein Verdienst unseres neuen Kämmerers, Herrn Cugaly. Er und seine Mitarbeiter haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der Haushaltsentwurf frühzeitig vorgelegt wurde und zügig beraten werden konnte. Seine Sachkenntnis und Auskunftsbereitschaft waren uns dabei eine große Unterstützung und Hilfe.
Anmerken möchte ich an dieser Stelle aber auch, dass der Haushalt nach wie vor teilweise noch schwer lesbar und verständlich ist. Auch die Erläuterungen zu den Haushaltspositionen scheinen uns deutlich ausbaufähig. Hier gibt es noch Potential nach oben. Gleiches gilt auch für den Haushaltsvollzug. Auch fehlt es uns noch an praktikablen Instrumenten zur Beurteilung und Kontrolle, ob die beschlossene Maßnahmen die gewünschten Wirkungen und Resultate erzielen. Wie wichtig dies ist, hat die Hartnäckigkeit der CDU bei den Überlegungen zur Übertragung des Schwimmbades an die Stadtbetriebe gezeigt. Hier konnten der Stadtkasse erhebliche Mehrkosten erspart werden. Diese Instrumente können uns auch helfen, die Kostenentwicklung bei städtischen Baumaßnahmen unter Kontrolle zu halten. Beispielhaft nenne ich hier die „Sanierung des Rathauses“.
Was uns GRÜNE auch nach wie vor fehlt, und dies ist kein Versäumnis der Verwaltung, ist die politische Diskussion und die politische Festlegungen von Zielen, die in den einzelnen Fachbereichen erreicht werden sollen. Hier haben wir als Parlament Nachholbedarf. Daher kündigen wir schon jetzt an, dass wir in Kürze auf die anderen Fraktionen zugehen werden, um den Versuch zu unternehmen, gemeinsam dieses Defizit zu beheben. Dazu werden wir vorschlagen, noch im Frühsommer mit den inhaltlichen Beratungen darüber in den Fachausschüssen zu beginnen, damit die Ergebnisse mit zur Grundlage des Haushaltes 2012 werden. Ich denke, diese Vorgehensweise wird uns helfen, unser aller Ziel, den Haushalt politisch gestalten zu können, schneller zu erreichen.
Der heute vorliegende Haushaltsentwurf ist aus unserer Sicht die konsequente Fortführung des 2010 eingeschlagenen Weges in Richtung einer Konsolidierung des Bornheimer Haushaltes. Die im Sommer beschlossenen Maßnahmen wurden in erheblichen Teilen bereits umgesetzt. Andere befinden sich in der Umsetzung oder stehen kurz bevor. Ein Ergebnis davon ist, dass in 2011 keine Steuer- oder Abgabenerhöhungen anstehen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einige kurze Bemerkungen zu den erreichten Erfolgen machen.
Wir haben durch entschlossenes und gemeinsames Handeln, die Chance auf eine sinnvolle Bereicherung und Ergänzung des Bildungsangebotes in Bornheim realisiert. So wird die Gemeinschaftsschule in Merten kommen. Damit bleibt uns Merten als wohnortnaher Schulstandort erhalten, denn die Genehmigung ist bereits erteilt. Auch die angestrebte „Integrative Lerngruppe“ an der Europaschule wurde in der heutigen Ratssitzung beschlossen. Ein weiterer Schritt unsere Bildungslandschaft weiterzuentwickeln.
Auch auf dem Weg zur „Energiestadt Bornheim“ sind wir weitere Schritte gegangen. Die Installation von Solaranlagen auf städtischen Dächern, das Blockkraftheizwerk im Hallenbad sowie die energetische Sanierung städtischer Gebäude führen zur Reduzierung der jährlichen Energiekosten und damit zur Haushaltsentlastung.
Mit der Verabschiedung des Flächennutzungsplanes haben wir nunmehr auch die Möglichkeit an die weitere Anwerbung von Unternehmen und Betrieben zu gehen. Dies wird, so erwarten wir doch alle, zum weiteren Aufbau von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und zur Steigerung der Einnahmen aus Gewerbesteuern führen. Wenn wir auch hier zusammenwirken, sollten sich bereits mittelfristig Effekte zur Konsolidierung des Haushaltes einstellen.
Wir sollten uns aber nichts vormachen. Es gibt noch viel zu tun. Beispielhaft möchte ich einige Punkte nennen:
Wir haben die Auswirkungen der demographischen Entwicklung noch nicht hinreichend auf dem Radarschirm.
Der Ausbau überfälliger Anliegerstraßen steht zwar auf der Agenda, verläuft aber noch recht schleppend.
Die weitere Umgestaltung der Königstraße zu einem gewerbe- und gleichzeitig kundenfreundlichen Zentrum unserer Stadt.
Die Prüfung, ob wir alleine oder gemeinsam mit Nachbarkommunen oder anderen Partnern eigene Stadtwerke gründen läuft.
Der Verkauf eines Teils der Freibadwiese muss bei einem negativen Bürgerbegehren zügig in Angriff genommen werden.
Die vorsorgende Jugendarbeit leidet unter verzögerter Wiederbesetzung freiwerdender Personalstellen.
Der Bürgerhaushalt droht zur „Eintagsfliege“ zu werden. 2009 begonnen, 2010 ausgesetzt und auch in diesem Jahr Fehlanzeige. Wenn wir glaubwürdig sein wollen, werden wir uns dies nicht länger leisten können. Hier erinnern wir auch an den im Dezember 2010 – auf Antrag der Grünen Fraktion- gefassten einstimmigen Ratsbeschluss, die Bürgerbeteiligung in Haushaltsfragen deutlich zu verbessern, z.B. mit Hilfe einer entsprechenden Internet-Plattform. Hier erwarten wir die Umsetzung für den Haushalt 2012.
Auch die einschneidenden Maßnahmen, die die städtischen Beschäftigten betreffen, konnten uns nur einen kleinen Schritt zur Sanierung des Haushaltes voranbringen.
Obwohl noch viele weitere Schritte unternommen werden müssen, stimmt die Fraktion „Bündnis90/Die Grünen“ dem Bornheimer Haushalt für 2011 zu.
Unseres Erachtens stoßen wir in vielen Bereichen städtischer Handelns an Grenzen. Weitere nennenswerte Beiträge zur Haushaltssanierung können wir daher nur erzielen, wenn wir neue Ansätze prüfen und umsetzen. Neue und wohl auch noch ungewohnte Wege beschreiten. Aus Zeitgründen kann und will ich hier nicht ins Detail gehen. Aber einige Stichworte, wo wir GRÜNE erfolgversprechende Handlungsfelder sehen, will ich doch nennen:
Umfassende Aufgabenkritik aller Bereiche kommunalen Handels.
Überprüfung der Breite und Tiefe der Maßnahmen im Rahmen der sogenannten Pflichtaufgaben.
Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit im Rhein-Sieg-Kreis und unseren Nachbarkreisen und Städten.
Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen zur Ansiedlung von Unternehmen zur Schaffung weiterer Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Konsequente Berücksichtigung aller Folgekosten von geplanten städtischen Maßnahmen bereits im Vorfeld der Entscheidung.
Bornheim ist heute eine Stadt in der es sozial, umweltbewusst, familienfreundlich und bildungsbewusst zugeht. Deshalb wollen wir eine Finanz- und Haushaltspolitik, die diesen Standard mindestens erhält.
Deshalb dürfen Haushaltssicherung und Schuldenabbau nicht in Widerspruch zur Erfüllung aktueller Aufgaben treten. Für uns haben dabei Bildung, Arbeit, Umwelt und soziale Stabilität Vorrang. Wir definieren Nachhaltigkeit nicht nur finanziell, sondern auch sozial und ökologisch.
Wichtiger Maßstab grüner Finanzpolitik ist und bleibt die Nachhaltigkeit finanzwirtschaftlicher Entscheidungen. Dabei ist für uns entscheidend, dass unter „Nutzen“ nicht nur der finanzielle, sondern immer auch der gesellschaftliche Nutzen gesehen werden muss.
Meine Damen und Herren erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung:
Vergnügungssteuer ist eine mögliche Einnahmequelle für Kommunen. Bei den Haushaltsberatungen käme da nichts rein, den die Beschäftigung mit der Haushaltslage ist sicher alles, aber eines bestimmt nicht, nämlich vergnügungssteuerpflichtig.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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